Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in einem aktuellen Urteil festgestellt, dass die Weitergabe von Kronzeugenerklärungen aus einem kartellrechtlichen Verfahren an die Staatsanwaltschaft keine Verletzung grundlegender Grundrechte darstellt. Dies wurde in einem konkreten Fall von zwei Bauunternehmen überprüft, gegen die sowohl die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) als auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen des Verdachts auf wettbewerbswidrige Absprachen bei Vergabeverfahren ermittelten.
Grundrechte verletzt: Weitergabe der Kronzeugenerklärungen
Zwei Bauunternehmen, gegen die sowohl die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) als auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt hatten, stellten bei der BWB einen Kronzeugenantrag. Dadurch konnten sie eine erheblich gemilderte Geldbuße erhalten. Die Akten des Kartellgerichts wurden jedoch im Rahmen der Amtshilfe von der WKStA angefordert und tatsächlich an diese weitergeleitet.
Um sich gegen den Verdacht wettbewerbswidriger Absprachen bei Vergabeverfahren zu verteidigen, haben die beiden Bauunternehmen den Verfassungsgerichtshof (VfGH) angerufen und die teilweise Aufhebung von Bestimmungen im Kartellgesetz und in der Strafprozessordnung beantragt. Sie argumentierten, dass die Weitergabe von Kronzeugenerklärungen an strafrechtliche Ermittlungsbehörden und der fehlende Rechtsschutz gegen diese Maßnahme gegen das Grundrecht auf Datenschutz und das Recht, sich nicht selbst einer Straftat bezichtigen zu müssen, verstoßen.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat den Antrag der Unternehmen auf Aufhebung einer Bestimmung im Kartellgesetz (§ 37a Kartellgesetz) teilweise zurückgewiesen und teilweise abgelehnt (G 313/2022). Der VfGH betonte, dass selbst bei einer teilweisen Aufhebung dieser Bestimmung Kronzeugenerklärungen weiterhin grundsätzlich für strafrechtliche Verfahren verwendet werden dürfen, da dies im öffentlichen Interesse liege.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf die Strafprozessordnung (§ 106 Abs. 1 Z 2 StPO) festgestellt, dass der Antrag der Unternehmen zulässig, aber nicht begründet war. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die geltend gemachten Grundrechte der Unternehmen durch die umstrittene Bestimmung ausreichend geschützt seien. Gemäß § 106 StPO kann jede Person, die angibt, durch eine Ermittlungsmaßnahme der Staatsanwaltschaft in ihren Rechten verletzt zu sein, Einspruch bei dem zuständigen Strafgericht erheben.
Im Rahmen der Einspruchsverfahren wird untersucht, ob das Amtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft an die Wettbewerbsbehörde zur Weitergabe von Kronzeugenerklärungen und die nachfolgende Nutzung dieser Erklärungen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren rechtlich zulässig waren. Das zuständige Gericht wird darüber befinden.
Grundrechte gewahrt: Unternehmen haben Rechtsschutzverfahren zur Verfügung
Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass die Weitergabe von Kronzeugenerklärungen aus einem kartellrechtlichen Verfahren an die Staatsanwaltschaft keine Verletzung der Grundrechte darstellt. Die betroffenen Unternehmen haben angemessene Rechtsschutzmöglichkeiten, um ihre Rechte zu verteidigen.
Im Rahmen des Rechtsschutzverfahrens haben Unternehmen die Möglichkeit, gegen Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft vorzugehen und die Verwendung von Kronzeugenerklärungen in strafrechtlichen Verfahren vor Gericht zu überprüfen. Dieser Mechanismus stellt sicher, dass die Grundrechte der Unternehmen angemessen geschützt sind und ein faires Verfahren gewährleistet wird. Durch die Möglichkeit des Einspruchs können die Unternehmen aktiv an der Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen teilnehmen und sicherstellen, dass ihre Grundrechte respektiert werden.